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Ablauf und wissenschaftlicher Hintergrund unser Schulprävention

Unsere Tabakprävention in den lokalen Schulen wird vollständig ehrenamtlich von Medizinstudierenden unseres Netzwerks durchgeführt, die für diese Besuche speziell ausgebildet wurden. Welche Medizinstudierenden Ihre Schule besuchen, hängt davon ab, welche Medizinfakultät in der Nähe ist. Hier finden Sie eine Übersicht über die Medizinfakultäten unseres Netzwerks. Meistens werden unsere Schulbesuche durch eine wissenschaftliche Erhebung, sowie Schüler/Lehrer und Elternbriefe begleitet; mehr über unsere Forschung können Sie hier nachlesen. Anbei soll der Übersicht halber nur die Intervention innerhalb der Schulen vorgestellt werden, welche sich in zwei Abschnitte unterteilt:

  • Eine interaktive Aulapräsentation mit Alterungsintervention (45 Minuten)
  • Ein interaktiver Stationenplan im Klassenraum (80 Minuten)


Aula: Mirroring, sportliche Leistungsfähigkeit, Stimmung, Werbung (45 Minuten)

Der erste 45-minütige Teil findet unter der Aufsicht von mindestens zwei Medizinstudierenden und Lehrkräften mit allen Siebtklässler/innen im Aulasetting statt, um die Gruppeneffekte, die wir in einer Pilotstudie messen konnten, zu reproduzieren und die erweiterte Peergroup der Schüler/innen einzuschließen [1].

In den ersten 20 Minuten des Aulateils wird unsere sogenannte Mirroring Intervention durchgeführt: Die Schüler/innen machen einen Selfie mit der Smokerface App auf ihrem Smartphone oder Tablet. Anschließend werden diese 3D-Selfies über eine Offline-Router Lösung auf einen Beamer übertragen und nebeneinander dargestellt. Dann wird im Zufallsmodus durchgewechselt und das/die nächste(n) Tablet(s) zugeschaltet. Der/die Schüler/in kann während sein Tablet über den Beamer gespiegelt wird sein eigenes Selfie, das 3D animiert ist und auf Berührung reagiert, bearbeiten. Wie diese Intervention die Prädiktoren des Rauchens nach der Theorie des geplanten Verhaltens beeinflusst, wurde von uns in einer Pilotstudie gemessen und im Journal of Medical Internet Research publiziert [1].

In den abschließenden 25 Minuten wird eine interaktive Powerpointpräsentation durchgeführt, die u.a. Videoelemente enthält, die sich nicht für den Klassenraum eignen: Eine knappe Spielszene aus dem Fußball WM Finale 2014 wird initial mit der Stufe analysiert (Schüler/innen kommentieren einen Sprint von Manuel Neuer gegen einen gegnerischen Stürmer), um anschließend am Fußballspieler die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch Nichtrauchen zu diskutieren. Altersgerechte Themen wie Geldersparnis, Bedeutung von Sucht und Stress vs. Entspannung werden aufgegriffen und abschließend eine Werbeanalyse (“Wenn ihr Zigaretten an eure Klassenkameraden verkaufen wollen würdet, wie würdet ihr Werbung für sie machen?”) mit Analyse von Echtbeispielen zur Stärkung der sozialen Kompetenz (lokale Fotografien von Schülerbushaltestellen, denen der/die Schüler/in in seinem Alltag begegnet), durchgeführt [2].


Klassenraum: Interaktiver Stationenplan (80 Minuten)

Ein interaktiver Stationenplan wird an vier Stationen im Klassenraum aufgebaut und die Klasse wird in drei Gruppen unterteilt (die Schüler/innen dürfen selber wählen mit wem sie in eine Gruppe wollen) die durch die vier Stationen rotieren (Wechsel nach 20 Minuten). Drei vorab ausgebildete Medizinstudierende teilen sich auf die drei Gruppen auf und treten in das Gespräch mit durchschnittlich 6-7 Schüler/innen pro Kleingruppe.

Das Ziel des Stationenplans ist es den Schüler/innen das Verständnis der gundlegenden schädigenden Mechanismen des Zigarettenrauchens im Körper zu vermitteln und sie mit altersrelevanten Beispielen zu verknüpfen, dabei die Eigenverantwortung sowie das Selbstbewusstsein zu stärken und mit ihnen in Dialog zu treten. Das Design des Stationenplans, der praktische Ansatz und die jugendfreundliche Art der Präsentation zielen auf die Entwicklung eines positiven Nichtraucherimages bei den Schüler/innen ab. Zusätzlich verhilft der spielerische Ansatz mit praktischen Übungen und Aktivitäten die in der Lebensrealität von Jugendlichen relevante Aspekte forcieren zur Vermittlung von mit dem Rauchen verknüpften präventivem Wissen. Alle Experimente werden von den Schüler/innen selber aufgebaut und durchgeführt. Die hierfür speziell ausgebildeten Medizinstudierenden haben eine vordergründig supervidierende und moderierende Funktion und leiten die Gesprächsthemen mit Fragen ein.

Der Stationenplan besteht seit November 2015 und wurde seither kontinuierlich mit unserem Beirat, sowie unter den Gruppenleiter/innen diskutiert und optimiert. Bei dem Diskussionspanel unser Arbeitsgruppe im Mai wurde der Stationenplan nach intensiver Literaturrecherche erneut überarbeitet und national implementiert. Für unsere internationalen Gruppen wurde der Plan zugleich in die Englische Sprache übersetzt und so war – neben der nationalen Begutachtung durch unseren Beirat – auch eine internationale Begutachtung möglich.

Kurzbeschreibung der Stationen:

1) Unterschiedliche Tabakprodukte und Extraktion von Tabakrauch

Diese Station wird am Fenster oder draußen aufgebaut. In den ersten 10 Minuten werden gängige Tabakprodukte präsentiert und mit den Schüler/innen diskutiert: E-Zigaretten, Zigarren und normale Zigaretten. Wie unterscheiden sich die Produkte? Wie sind sie aufgebaut? In den zweiten 10 Minuten bauen die Schüler/innen gemeinsam ein Experiment mit einer 1,5 l Plastikflasche, in die am unteren Ende ein Loch eingebracht ist, auf. Das Loch wird mit dem Finger verschlossen und Wasser aufgefüllt. Dann wird ein Taschentuch zwischen Deckel und Flaschenhals befestigt. Der Deckel enthält ebenfalls ein kleines Loch in das nun eine Zigarette gesteckt wird, die angezündet wird. Dann wird der Finger vom unteren Loch entfernt, sodass das Wasser ausfließt und die Zigarette durch den Unterdruck vollständig abbrennt. Danach wird der Deckel entfernt und das Taschentuch hat eine deutliche braune Verfärbung: Den Teer und die Schadstoffe im Zigarettenrauch, die sonst in der Lunge landen, haben sich die Schüler/innen so selber sichtbar und vorstellbar machen können. Diese Station bildet eine visuelle Grundlage für das grobe Verständnis vieler altersrelevanter Vorteile, die durch das Weglassen der nun sichtbar gewordenenen Noxe entstehen.

2) Attraktivität im Gesichtsbereich

Im ersten Teil dieser Station werden Fotos von eineiigen Zwillingen aus der Publikation von Okada et al. verglichen (ein Zwilling rauchte/einer rauchte nicht) [3]. Die Schüler/innen besprechen, welche Unterschiede ihnen auffallen und wen sie für der/den Raucher/in halten. Es wird gemeinsam mit den Schüler/innen erarbeitet, warum und wie das Rauchen die Haut schädigt und warum Pickelentstehung begünstigt wird [4].

Im zweiten Teil werden Galaxy Tab A Tablets mit der Smokerface App verwendet, um in der kleineren Peergroup (meist wählen die Schüler/innen ihre besten Freunde als Gruppe) die Veränderungen am eigenen Gesicht moderiert zu reproduzieren [1, 5]. Da selbstwahrgenommene Attraktivität für Jugendliche dieser Altersgruppe der wichtigste Faktor für das eigene Selbstbewusstsein ist [6] und auch um trotz der erfolgreichen Pilotierung sicherzugehen, dass jede/r Schüler/in die Alterungs-Intervention bekommt, wird diese hier im kleineren Rahmen im engeren (Freundes-)kreis wiederholt.

3) In der Altersgruppe relevante körperliche Vorteile durch das Nichtrauchen
und Verständnis für die groben Mechanismen

Pathomechanismen: Verengte Gefäße, erhöhter Blutdruck, Minderversorgung von Gewebe
Methoden/Material: Tafelskizze, Wachstumskurven, Modell von gesundem Körper, Drei-Wege-Hahn mit Einwegspritzen (=enger Schlauch = mehr Kraft des Schülers ist notwendig um Wasser aus der Spritze hindurchzupumpen = erhöhter Blutdruck bei Rauchern und schlechtere Gewebeversorgung!)
Altersgerechte Folgen: Bindegewebsverlust in der Brust von Frauen = weniger Volumen / Straffheit; Erektionsprobleme/Impotenz; Wachstumsstörungen in der Jugend bei Männern (Nichtraucher werden größer! -> Wachstumskurve) [7], weniger Cellulite bei nichtrauchenden Frauen [8] und adipöse Gewichtszunahme eher bei Raucherinnen (Skizze!) [7, 9], besseres Lungenwachstum bei Nichtraucher/innen und dadurch bessere Leistungsfähigkeit (Fußballspieler/in) [10].

4) Die vier Suchtphasen und eigene Erfahrungen: Wie kann ich mich vom Rauchen fernhalten?  
Das Ziel dieser Station ist es, den Schüler/innen spielerisch über unser Suchtmemory die vier Stufen der Sucht verständlich zu machen. Dabei gilt es 16 Bilder mit Aussagen vier Stufen zuzuordnen (Interesse, Probieren, Gewöhnung, Abhängigkeit). Anschließend sollen die Schüler/innen sich selber einer Suchtstufe zuordnen. Danach werden die Schüler/innen gefragt, ob sie gerne auf der Suchtstufe sind, auf der sie sich selber sehen und ob sie gerne weiter fortschreiten wollen. Die Antwort lautet immer, dass sie nicht weiter fortschreiten und süchtig werden wollen. Mit dieser Gruppenmeinung (positiver Gruppenzwang) wird anschließend diskutiert, wie man das Fortschreiten verhindern kann. Hier sind wieder die Meinungen der Schüler/innen gefragt, die sich gegenseitig Tipps geben – dadurch erhöhen die Schüler/innen ihre eigene Selbstwirksamkeitserwartung [11] und erzeugen gleichzeitig positiven Gruppenzwang [12].

Abgeschlossen wird die Station mit der Frage, ob die Schüler/innen jemanden kennen, dem sie gerne mit dem Aufhören helfen würden und Visitenkarten für unsere kostenlose und werbefreie App Smokerstop werden an die Schüler/innen zum Weitergeben an das weitere soziale Umfeld ausgeteilt.

Abbildung 1: Visitenkarte, welche die Smokerstop App empfiehlt.

Am Ende des Seminars werden die finalen Meinungen der Schüler/innen eingeholt, um die subjektive Norm der Schüler/innen positiv zu beeinflussen und den positiven Gruppenzwang weiter zu erhöhen; zentrale Aspekte wie weniger Cellulite [8], größer werden bei Männern und körperliche Leistungsfähigkeit (inkl. bessere Erektion [13]) werden reforciert [12]. Um einen positiven Abschluss zu wählen, der den Siebtklässler/innen sehr viel Spaß macht, werden Kardioübungen im Klassenraum durchgeführt und anschließend durch einen Strohhalm geatmet, um den sportlichen Leistungsabfall zu simulieren; diese Übung wurde im AGT Curriculum 2013 von über 90% der Schüler/innen als Element bewertet, was ihnen am meisten Spaß macht und ist daher sicher altersadäquat für Siebtklässler/innen. Die Medizinstudierenden hängen die ersten beiden Poster der Smokerface Poster Kampagne in das Klassenzimmer um die Katamnese zu erhöhen und verabschieden sich.


Abbildung 2: Poster der Smokerface Kampagne, die am Ende des Besuchs im Klassenraum aufgehängt werden.

Sie wollen mehr erfahren? Lesen Sie sich unsere Publikationen durch! Sie möchten unsere ehrenamtliche Arbeit unterstützen? Denken Sie darüber nach, zu spenden!



Literaturverzeichnis:

  1. Brinker TJ, Seeger W, Buslaff F: Photoaging Mobile Apps in School-Based Tobacco Prevention: The Mirroring Approach. J Med Internet Res 2016, 18(6):e183.
  2. Thomas RE, McLellan J, Perera R: School-based programmes for preventing smoking. Cochrane Database Syst Rev 2013, 4:CD001293.
  3. Okada HC, Alleyne B, Varghai K, Kinder K, Guyuron B: Facial changes caused by smoking: a comparison between smoking and nonsmoking identical twins. Plastic and reconstructive surgery 2013, 132(5):1085-1092.
  4. Schafer T, Nienhaus A, Vieluf D, Berger J, Ring J: Epidemiology of acne in the general population: the risk of smoking. The British journal of dermatology 2001, 145(1):100-104.
  5. Brinker TJ, Seeger W: Photoaging Mobile Apps: A Novel Opportunity for Smoking Cessation? Journal of medical Internet research 2015, 17(7):e186.
  6. Harter S: Causes and Consequences of Low Self-Esteem in Children and Adolescents. In: Self-Esteem: The Puzzle of Low Self-Regard. edn. Edited by Baumeister RF. Boston, MA: Springer US; 1993: 87-116.
  7. O’Loughlin J, Karp I, Henderson M, Gray-Donald K: Does Cigarette Use Influence Adiposity or Height in Adolescence? Annals of Epidemiology, 18(5):395-402.
  8. Stavroulaki A, Pramantiotis G: Cellulite, smoking and angiotensin‐converting enzyme (ACE) gene insertion/deletion polymorphism. Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology 2011, 25(9):1116-1117.
  9. Gasperin LdOF, Neuberger M, Tichy A, Moshammer H: Cross-sectional association between cigarette smoking and abdominal obesity among Austrian bank employees. BMJ open 2014, 4(7):e004899.
  10. Gibbs K, Collaco JM, McGrath-Morrow SA: Impact of tobacco smoke and nicotine exposure on lung development. CHEST Journal 2016, 149(2):552-561.
  11. McEachan RC, M; Taylor, NJ; Lawton, RJ;: Prospective prediction of health-related behaviours with the Theory of Planned Behaviour: a meta-analysis. Health Psychology Review 2011, 5:97–144.
  12. Ajzen I: Theory of planned behavior. Handb Theor Soc Psychol Vol One 2011, 1:438.
  13. Gades NM, Nehra A, Jacobson DJ, McGree ME, Girman CJ, Rhodes T, Roberts RO, Lieber MM, Jacobsen SJ: Association between smoking and erectile dysfunction: a population-based study. American journal of epidemiology 2005, 161(4):346-351.

 

 

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