Tabakwerbeverbot: Offener Brief an die Bundesregierung

Von: Titus Brinker (Gründer und Vorsitzender) in Vertretung der engagierten Medizinstudierenden und Ärzte des Aufklärung gegen Tabak e.V.

Offener Brief an Frau Dr. Angela Merkel
CC: Alle Fraktionen

Betreff: Verbot von Tabakwerbung in Deutschland

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Verantwortliche,

mein Name ist Titus Brinker. Ich bin Medizinstudent im zehnten Semester und Vorsitzender des Aufklärung gegen Tabak e.V., in dem sich rund 700 Medizinstudierende und Ärzte von fast allen Medizinfakultäten in Deutschland für eine Senkung der Rauchprävalenz im Jugendalter engagieren.

Seit knapp vier Jahren klären wir nun Schüler altersgerecht über das Rauchen auf. Dieses Engagement haben Sie, Frau Dr. Merkel, als Schirmherrin des startsocial Stipendiums Anfang Juni 2014 mit dem Bundespreis ausgezeichnet, wofür wir uns noch einmal herzlich bei Ihnen bedanken möchten.

Meinen Mitstreitern und mir ist jedoch leider klar, dass unsere Taten sich niemals so effektiv auf das Rauchverhalten unserer Bevölkerung auswirken werden, wie ein vollständiges Verbot für Tabakwerbung dies könnte. Niemals wird ein ehrenamtliches Projekt – auch nicht gefördert durch einen mit 5.000 Euro dotierten Bundespreis – eine Chance gegen rund eine Milliarde Marketingausgaben pro Jahr durch die Tabakindustrie in Deutschland haben.

An fast jeder Schülerbushaltestelle in Deutschland wird das Rauchen beworben. Dabei werden positive Dinge – wie ein romantischer Kuss, oder ein Gitarrenspieler am Lagerfeuer – mit der Zigarette verknüpft. Über klassische Konditionierung wird dem Schüler so subtil vermittelt, dass die Zigarette zu positiven Ereignissen im eigenen Leben führt. Dies ist eine Unwahrheit, die wir regelmäßig während unseres Studiums und noch mehr später als Ärzte vor Augen geführt bekommen. Etwa 6,3 Millionen Menschen in Deutschland sind chronisch lungenkrank. In unseren Fachbüchern und einschlägigen Studien ist nachzulesen, dass über 90% dieser sog. chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen durch das Rauchen verursacht werden. Bei Lungenkrebs werden Prozentzahlen von 90-95% genannt. Rauchen ist die größte vermeidbare Todesursache in Deutschland.

Oft wird argumentiert, dass jeder Mensch selber entscheiden sollte, ob er Rauchen möchte, oder nicht. Wir wünschen uns eine solche freie Entscheidung auf der Grundlage von differenzierten Informationen. Bei der massiven subtilen Manipulation eines jeden Schülers durch Tabakwerbung kann jedoch nicht mehr von einer freien Entscheidung die Rede sein. Statt differenzierter und wissenschaftlicher Aufklärung über die Dimension einer Nikotinsucht, werden grade unsere jungen Bürger gezielt mit Unwahrheiten manipuliert. Wird das Rauchen angefangen, wird die eigene Entscheidungsfreiheit ebenfalls in kürzester Zeit durch die Sucht genommen.

Deutschland ist das letzte Land in der EU, in dem die Kinowerbung nach 18 Uhr und die Außenwerbung für Tabakprodukte noch keinen Beschränkungen unterliegen. Wir bitten Sie heute freundlich, auch in Deutschland der massiven Verbreitung von Unwahrheiten durch Tabakwerbung entgegenzuwirken und sprechen uns für ein vollständiges Tabakwerbeverbot aus. Die Manipulation trifft leider besonders die hilflosesten Menschen in unserer Gesellschaft: Kinder und Jugendliche aus niedrigen Bildungsschichten sind nach aktuellen Studien besonders empfänglich für Tabakwerbung.

Deutschland hat im Jahr 2003 die WHO Framework Convention on Tobacco Control unterzeichnet, die im Jahr 2005 in Kraft trat. In Artikel 13 dieses völkerrechtlichen Vertrages hat sich die Bundesregierung zu einem vollständigen Werbeverbot verpflichtet. Die aktuellen TCS-Daten zur Umsetzung der Maßnahmen sehen Deutschland innerhalb Europas jedoch an vorletzter Stelle (Joossens & Raw, 2014). Bitte nehmen Sie Stellung, warum völkerrechtliche Verträge zur Tabakkontrolle von der Bundesregierung nicht eingehalten werden.

Wir bitten Sie, Frau Dr. Merkel, und alle anderen Verantwortlichen, die wir hiermit angeschrieben haben, um eine Reaktion zu diesem Thema, die wir öffentlich dokumentieren werden. Auch keine Reaktion von Ihnen auf unser Anliegen möchten wir der Transparenz halber öffentlich dokumentieren.

Wir bedanken uns für die Kenntnisnahme unseres Schreibens.

Vielen Dank und freundliche Grüße,

Die rund 700 engagierten Medizinstudierenden und Ärzte des Aufklärung gegen Tabak e.V. von 27 Fakultäten in Deutschland. In demokratisch legitimierter Vertretung:

Titus J. Brinker

Fachbereich Medizin,
Justus-Liebig-Universität Gießen
T. 0151/75084347
www.gegentabak.de
www.educationtobacco.org

Vorsitzender Titus Brinker (2ter oben rechts) auf dem Gruppenbild mit Kanzlerin Angela Merkel. Copyright: startsocial e.V.

Vorsitzender Titus Brinker (zweiter von links oberste Reihe) auf dem Gruppenbild mit Kanzlerin Angela Merkel bei der Entgegennahme des Bundespreises im Juni 2014. Copyright: startsocial e.V.