Bedarfsanalyse für mehr Advocacy: Tabakkontrolle in Deutschland

Trotz jahrzehntelanger Bemühungen des Deutschen Krebsforschungszentrums steht Deutschland in Europa bei der Umsetzung von der WHO empfohlenen Tabakkontrollmaßnahmen (TCS Daten) neben Österreich an letzter Stelle [1]. In Deutschland sind mehr als 7,5 Millionen Menschen chronisch auf Grund ihres Tabakkonsums erkrankt und etwa 350 von ihnen sterben jeden Tag [2]. 2015 im NEJM publizierte Daten aus den USA legen nahe, dass die tabakattributable Morbidität noch höher, und zwar bei etwa 9 Mio. chronisch kranken Patienten in Deutschland liegt [3]. Die Gruppenleiter von 18 Medizinfakultäten des Aufklärung gegen Tabak Netzwerks haben auf dem Bundestreffen am 24/25.10.15 in der Thoraxklinik Heidelberg einvernehmlich beschlossen, stärker auf politische Entscheidungen und die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken, um das DKFZ per Schulterschluss zu unterstützen. Unter anderem soll sich dem Beispiel von internationalen Ärztegruppen aus dem United Kingdom, die öffentlich in wissenschaftlichen Fachjournals (wie dem British Medical Journal) auf Fehlverhalten von Politikern in Bezug auf Tabakkontrolle hinweisen und so mehrfach legislative Prozesse anstoßen konnten, in professioneller Weise angeschlossen werden [4]. Zum Zweiten soll die öffentliche Meinungsbildung im Sinne einer Denormalisierung des Rauchens beeinflusst werden, um den Druck auf politische Entscheidungsträger, Tabakkontrollmaßnahmen durchzusetzen, weiter zu erhöhen und die Akzeptanz des Rauchens zu senken. Für diesen zweiten Aspekt stehen international evaluierte und effektive Kampagnen zur Verfügung, für dessen Umsetzung es notwendig ist, das Bundesgesundheitsministerium von ihrer Sinnhaftigkeit und Effektivität zu überzeugen, was bisher nicht gelang [5].
Insgesamt fällt auf, dass Medizinstudenten und Ärzte für dieses Themenfeld ideale Meinungsgeber in der Gesellschaft sind, jedoch nicht über eine ausreichende Ausbildung im Advocacy-Bereich verfügen, um ihre Ansichten professionell vorzutragen und durchzusetzen.

Vor diesem Hintergrund soll jedes Jahr im Deutschen Krebsforschungszentrum für das gesamte Aufklärung gegen Tabak Netzwerk ein durch das DKFZ kostenlos zur Verfügung gestelltes Advocacy Training organisiert werden, um das hochmotivierte Netzwerk und im Besonderen die Gruppenleiter für diese Tätigkeit auszubilden. Die Ausbildung findet im Rahmen der DKFZ Tabakkontrollkonferenz statt, die gleichzeitig als zusätzliche Weiterbildung für die AGT Mitglieder fungiert.

Träger der diesjährigen Konferenz war die Deutsche Herzstiftung e.V.; Den Bericht des diesjährigen Trainings und die Bilder können Sie hier einsehen.
1. Joossens, L. and M. Raw. The tobacco control scale 2013 in Europe. in Sixth European Conference on Tobacco or Health-ECToH, Istanbul, Turkey. 2014.
2. Mons, U., [Tobacco-attributable mortality in Germany and in the German Federal States – calculations with data from a microcensus and mortality statistics]. Gesundheitswesen, 2011. 73(4): p. 238-46.
3. Carter, B.D., et al., Smoking and mortality—beyond established causes. New England Journal of Medicine, 2015. 372(7): p. 631-640.
4. Kmietowicz, Z., Doctors demand apology for UK diplomat’s involvement in Pakistan tobacco meeting. BMJ, 2015. 350: p. h1814.
5. McAfee, T., et al., Effect of the first federally funded US antismoking national media campaign. The Lancet, 2013. 382(9909): p. 2003-2011.