Tabakwerbeverbot: CDU Verbraucherschutzbeauftragte Mechthild Heil antwortet auf unseren offenen Brief

In einem offenen Brief an die Bundesregierung forderten wir ein Tabakwerbeverbot. Es antwortete uns Mechthild Heil, Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU im Namen der gesamten Bundestagsfraktion. Wie in unserem offenen Brief angekündigt, veröffentlichen wir den gesamten Schriftverkehr:

“Sehr geehrter Herr Brinker,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Obwohl ich nicht explizit persönlich angesprochen wurde möchte ich Ihnen gerne antworten und versuchen Ihnen unsere Beweggründe zu erläutern.

Selbstverständlich ist Rauchen schädlich für die Gesundheit, das ist eine Tatsache, die heute niemand mehr leugnen kann. Die Bundesregierung setzt durch unterschiedliche Projekte und die Unterstützung von privaten Initiativen für die Aufklärung und Rauchprävention ein. Diese Bemühungen haben merklichen Erfolg, wie im aktuellen Drogenbericht der Drogenbeauftragten zu lesen ist. Der Tabakkonsum ist seit 2003 sowohl bei Männern als auch bei Frauen gesunken. Ein noch deutlicherer Rückgang ist bei den 12- bis 17-jährigen Jugendlichen und 18- bis 25-jährigen jungen Erwachsenen zu verzeichnen.
Sie sprechen die in Artikel 13 der FCTC beinhalteten umfassenden Werbeverbote für Tabakprodukte an (Redaktioneller Hinweis: Im WHO Vertrag wird ein vollständiges Tabakwerbeverbot gefordert). Deutschland hat die Werbung für Tabakwaren bereits stark eingeschränkt und reglementiert (Redaktioneller Hinweis: Deutschland und Bulgarien sind die letzten Länder in der EU, in denen Tabakaussenwerbung erlaubt ist). Zudem setzt die Regierung auf freiwillige Selbstbeschränkungen der betroffenen Industriezweige. Wir setzen auf Aufklärung und Prävention, ein Verbot kann nur der letzte Schritt sein und sollte gut überlegt sein. Derzeit gibt es aber Überlegungen im Landwirtschaftsministerium in diese Richtung.

Ich bin Nichtraucherin und möchte nicht von anderen Bürgern „zu gequalmt“ werden. Dennoch sehe ich hier die Gefahr für dem Ruf nach weiteren Werbeverboten: Alkohol, Schokolade oder Pommes könnten die nächsten „Opfer“ sein. Das ist nicht der Weg, den wir gehen möchten.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre
Mechthild Heil”
Diese Antwort erhielt Frau Heil von uns:
“Sehr geehrte Frau Heil,

zunächst vielen Dank für Ihre Rückmeldung, die Sie stellvertretend im Namen der CDU Bundestagsfraktion abgegeben haben.

Als Netzwerk aus angehenden Ärzten finden wir es sehr beunruhigend und befremdlich, dass Sie als Verbraucherschutzbeauftrage der CDU/CSU Vergleiche zwischen schnell süchtigmachenden Drogen und Lebensmitteln wie Pommes oder Schokolade ziehen.

Mir ist zu einem Vergleich der Schädlichkeit des Rauchens und ungesunder Ernährung keine Studie bekannt. Der Unterschied liegt jedoch auf der Hand: Der Rauch jeder einzelnen Zigarette enthält über 4000 giftige und krebserzeugende Substanzen – darin unterscheiden sich Zigaretten ganz eindeutig von Hamburgern oder anderen ungesunden Lebensmitteln. Kein Konsumgut ist per se so gesundheitsschädlich wie Zigaretten; jede einzelne Zigarette schadet der Gesundheit. Lebensmittel können demgegenüber zwar eine – auf Dauer – ungesunde Zusammensetzung haben (zu viel Fett, zu viel Zucker, zu wenig Vitamine/Spurenelemente, hohe Energiedichte, Farbstoffe, Aromen etc.), sind aber dennoch Lebensmittel. Der Konsum unausgewogener Lebensmittel wird erst in der Summe, wenn sie längere Zeit, wiederholt und im Übermaß verzehrt werden, ungesund. Lebensmittel sind eben – anders als Zigaretten – Lebensmittel. Daher ist ein Essen aus der Fritteuse nicht mit dem Konsum einer Packung Zigaretten vergleichbar. Wenn man einen solchen Vergleich ziehen möchte, ließe sich vielleicht eher sagen, dass der Verzehr eines vollkommen verkohlten Steaks oder der Genuss von verschimmeltem Brot dem Rauchen einer Zigarette entsprechen könnte, da verkohlte und verschimmelte Lebensmittel krebserzeugende Substanzen enthalten.

Auch, dass Sie ein Alkoholwerbeverbot so sehr fürchten, dass Sie ein vollständiges Tabakwerbeverbot eher ablehnen, ist nicht nachvollziehbar. Handeln Sie hier wirklich im Sinne der Verbraucher? Oder profitieren von Ihrer Haltung nicht eher wenige Industrielle, während Millionen Menschen in Deutschland unter unheilbaren und durch diese Drogen verursachten Erkrankungen leiden? Wer in Deutschland hat denn ein Interesse daran, dass diese Suchtmittel bei Jugendlichen beworben werden? Eltern? Lehrer? Schulen? Ärzte? Die Allgemeinbevölkerung? Die etwa 140.000 Tabaktoten jedes Jahr in Deutschland? Oder deren Familien? Oder vielleicht doch nur die Tabakkonzerne, sowie die Politiker und Parteien, die von dieser Drogenindustrie großzügige Geschenke erhalten, sowie einzelne Inhaber von Werbefirmen?

Da es international vollständige Tabakwerbeverbote gibt und Deutschland gemeinsam mit Bulgarien in der EU eher die Ausnahme bildet, bitten wir Sie um Beispiele bzgl. der von Ihnen befürchteten weiteren Werbeverbote im Rest der EU.

Da Sie Bezug auf die WHO FCTC genommen haben: Hier begehen Sie als Bundesregierung nach unserem Wissen völkerrechtlichen Vertragsbruch, da Sie trotz Zeichnung und Ratifikation die geforderteten “vollständigen Tabakwerbeverbote” nicht umgesetzt haben und auch nicht umsetzen wollen, sowie zahlreiche weitere Artikel der FCTC. Wir bitten um eine Klarstellung dieses Sachverhaltes.

Da Sie die auffallende Passivität von Deutschland in der Tabakkontrolle auch damit begründet haben, dass die Bundesregierung in Präventions- und Aufklärungsprojekte investiere, beziffern Sie bitte auch die Höhe der jährlichen Bundesausgaben für wissenschaftlich validierte Aufklärungsprojekte gegen das Rauchen und benennen Sie diese Projekte. Wir wurden als deutschlandweites Netzwerk, welches jährlich 20.000 Schüler aufklärt, einmalig mit dem mit 5.000 Euro dotierten Bundespreis durch die Kanzlerin ausgezeichnet und interessieren uns sehr für den Rahmen der weiteren Aufklärungsförderung.

Aus den Veröffentlichungen des Deutschen Krebsforschungszentrums wissen wir, dass etwa 1 Mrd. Euro pro Jahr in Deutschland an Marketingausgaben insgesamt durch die Tabakkonzerne in das Gewinnen von „Neukunden“ investiert wird und somit unserer Unterstützung entgegensteht. Wir laden die Bundesregierung und Sie ganz speziell ein, die alten Kunden, die da ersetzt werden sollen, in den deutschen Unikliniken kennenzulernen und diese nach ihrer Meinung zu einem vollständigen Tabakwerbeverbot zu befragen.

Weiterhin bitten wir um Offenlegung aller direkten und indirekten Parteispenden/Finanzierungen der Tabakkonzerne an die CDU, sowie deren Mitglieder in den letzten Wahljahren; selbige Anfrage werden wir an die anderen regierungsbildenden Parteien stellen. Auch den Besuch von Mitgliedern der Bundesregierung im Allgemeinen, sowie der CDU bei Lobbyveranstaltungen der Tabakkonzerne mit spezieller Bewirtung, sog. Liberty Awards und gratis Verköstigungen / Hotels / Reisen würden wir gerne einsehen können.

Wir versuchen zu verstehen, warum auf Kosten der öffentlichen Gesundheit und der Jugend in Deutschland die Bundesregierung dafür sorgt, dass wir gemeinsam mit Österreich in der EU Schlusslicht bei der Umsetzung der WHO Verträge zur Tabakkontrolle sind (Joosens & Raw, 2014). Aus Ihrer E-Mail geht eine plausible Begründung aus unserer Sicht nicht hervor.

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung und freundliche Grüße,
Titus Brinker

In Vertretung von und in Abstimmung mit den über 700 Medizinstudierenden und Ärzten des Aufklärung gegen Tabak e.V.”